Sebastian Schels, München

Auszeichnung BDA Preis Bayern 2019

Atelierhaus

München

Sebastian Schels, München

Atelierhaus

München
Architekt
WESTNER SCHÜHRER ZÖHRER Architekten und Stadtplaner, München
Bauherr
Privat

Auszeichnung

BDA Preis Bayern 2019 – Besondere Bauten

Genie und Wahnsinn liegen oft nah beieinander. Beim Atelierhaus bedarf es eines zweiten oder dritten Blicks, um sich eine Meinung darüber zu bilden. Der Baukörper stellt in seiner Kubatur eine Kopie des daneben stehenden Wohnhauses dar, unterscheidet sich aber von diesem in Konstruktion und Zweck. Bereits dies versprach eine nicht alltägliche Bauaufgabe.

Das Projekt liegt in einer ehemals illegalen Siedlung am Münchner Stadtrand, geprägt vom Charakter des spontan und planlos Errichteten. Inmitten einer üppig grünen Landschaft stehen niedrige Häuser, mehrfach umgebaut und mit Wellblechschuppen erweitert, dazwischen zwei abstrakte Volumen ohne Dachüberstand oder Zierrat. Im Gegensatz zum Wohnhaus, bei dem sich ein Skeletttragwerk mit transluzenter Verkleidung abzeichnet, ist das Atelierhaus eine monolithische Konstruktion aus 42 Zentimeter starkem Bimsstein. Innen erhebt sich ein zweigeschossiger, bis in das Satteldach geöffneter Raum mit Galerieebene, der sich in einem niedrigen Flachdachanbau fortsetzt. Trennwände sind nicht vorhanden. Lediglich Regaleinbauten gliedern den Raum und bieten Sichtschutz für die dahinterliegende Toilette. Die nördliche Dachfläche ist fast zur Hälfte verglast und sorgt für gleichmässige Lichtverhältnisse im Atelier. Öffnungen an den Giebelseiten übernehmen die Belichtung der Galerie und des Anbaus. Der Steinverband wie auch die statisch erforderlichen Stahlbetonelemente bleiben unverputzt und an der Fassade ablesbar. Da der Bauherr neben der Malerei auch ein Soundlabor betreibt, musste der Innenraum nachträglich akustisch wirksam verputzt werden. Die Dachunterseite ist mit OSB-Platten verkleidet, sodass eine gleichmäßige Fläche ohne Fugenbild entsteht.

Ein Haus, ein Raum, eine Schicht — das ist so einfach wie komplex. Hinter seiner «Rotzigkeit» offenbart das Gebäude bei genauer Betrachtung präzise aufeinander abgestimmte Bauteile und Materialien. Ringanker und Steinfuge schließen bündig ab, eine verdeckte Rinne in der Bitumenschindeldeckung sichert die Dachentwässerung und die grundwassergespeiste Bauteilaktivierung in Bodenplatte und Zwischendecke hält Sommer wie Winter eine konstante Temperatur im Innenraum. Zwei Kunstlichtinstallationen aus Leuchtstoffröhren waren ebenfalls Teil der Planung.

Das Atelierhaus wird von den Architekten als Versuchsanordnung beschrieben. Sowohl der Baukörper im Dialog mit seiner Umgebung als auch die architektonische Ausformulierung eines erweiterten Rohbaus zeugen von Experimentierfreudigkeit. Mitten unter den aus Verkleidungsmaterialien zusammengeschraubten Hütten steht eine nackte, seine konstruktive Fügung offenbarende Architektur.